Es ist immer wieder interessant zu hören, wie wir Biografinnen und Biografen des Biographiezentrums von potentiellen Kunden gefunden und ausgewählt werden. Eine besondere Geschichte dieses Suchens und Findens möchte ich hier (mit Zustimmung meines Kunden) weitergeben. Seit ein paar Wochen arbeiten wir gemeinsam an seiner umfangreichen Biografie, die 1929 in Rumänien/Siebenbürgen begann und ihn 1972 nach Deutschland führte. Kürzlich schrieb er mir ausführlich, durch welche Zufälle er zu »seiner« Biografin kam:

»Liebe Frau Richter, ein kurzer Einblick über unser seltsames, kurioses Zusammenkommen …

Im Juli 2018 surfte ich im Internet und stieß auf das Biographie-Zentrum. Ich schaute mir die Darstellungen der Biographen an. Dabei stieß ich auf eine gewisse Andrea Richter, Journalistin, Biografin, Autorin, und sah ihre kurze Vorstellung im Film. Mir gefiel, dass Sie Bücher schreiben mit Menschen, die Brüche in ihrem Leben erlebten und ihr Leben eine neue Wende genommen hat. Das passte genau auf mich. Durch weiteres Surfen stieß ich auf Ihren ›Salon Schwarz auf Weiss‹ und dort auf das Buch von Elisabeth Richter ›Meine beiden Leben, Briefe, Aufzeichnungen, Erinnerungen 1934–1936, 1945–1950‹. (vergriffen)

Genau meine Zeit, dachte ich. Ich versuchte mein Glück bei Amazon, und siehe da, ein Buch war noch zu haben, Preis 24,85 €. Im August hatte ich dann das Buch in der Hand.

Ich fand es hochspannend, was eine junge Frau, Ihre Mutter, alleine in der großen Welt geleistet, erlebt und erkämpft hatte! Köstlich fand ich Textpassagen bei ihrer Überfahrt über den Stillen Ozean und die Reise durch Asiens Staaten, wie: ›Ich habe nichts Poseidon geopfert‹, oder mit ihren Freunden ›… hin und wieder ein kleiner Tanz, Wange an Wange, mit herausgestreckten Gegenpol, zur Vernunft‹ – herrlich, oder dass ›die Morgenwäsche nur daraus besteht, einmal in die Luft zu spucken und darunter durchzulaufen‹ – gezeichnet mit ›Miss Amerika‹, und noch viele köstliche Bemerkungen. Hat mir gut gefallen. Ja, dann auch der Bernhardiner-Hund in New York, der immer bei Rot über die Kreuzung gehen wollte. Hervorheben möchte ich ausdrücklich Ihre fachliche Kompetenz, wie Sie die Reise Ihrer Mutti bildlich, geografisch, geschichtlich, ja auch politisch anschaulich dargestellt haben.

Als ich den Teil 1945–1950 in Augenschein nahm, fiel ich fast vom Hocker, als ich las:  Rumänien, Kronstadt, Dupa Iniste, Familie Richter … Ich war elektrisiert. Sie können sich nicht vorstellen, wie überrascht ich war. Meine Familie und ich wohnten auch in Kronstadt, in der Dupa Iniste Straße, auf dem Bild von Google (Maßstab 20 m) ca. 60 bis 80 Meter vom Hause Richter entfernt. In dieser Gegend wohnten sehr viele Sachsen, und wir kannten uns alle.

Da las ich auf Seite 342, wie Ihre Mutter Elisabeth panikartig auf Schüsse reagierte [Anm.: am 30. Dezember 1944], es klang für sie wie eine Erschießung, aber alle Anwesenden empfanden das Knattern als Fehlzündung eines Motorrades und waren erleichtert, irgendeine Erklärung gefunden zu haben. Für die zum Reißen gespannten Nerven [Anm.: nach dem Frontwechsel Rumäniens im August 1944 und der Besetzung durch die Rote Armee] waren das kurze, beruhigende Phasen. Ich bin ganz sicher, was sie hörten, waren die Maschinen-Pistolenschüsse, die genau an diesem Tag meiner Mutti fast das Leben gekostet haben!

Wie soll und kann man so etwas verstehen, erklären oder beschreiben? Verrückt, irre – ein schlimmes Ereignis, das sich vor 73 Jahren zugetragen hat, in diesem Buch zu lesen!

Jetzt war ich fest entschlossen, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen.

Ja, und dann die grauenvollen Verschleppungen, Ihre wie auch meine Mutter, beide über 30 Jahre alt, eigentlich von der Verschleppung ausgeschlossen, die furchtbare Fahrt nach Russland und dann anschließend die Sklavenarbeit in den Kohlebergwerken.

Liebe Frau Richter, den Rest kennen Sie.«

1933 Horst+Rita

1933: Horst und Rita in Kronstadt/Brasov

Ich gebe zu, dass mir diese Biografie eigenartig nahe geht. Durch meine Fragen zu seiner Kindheit und Jugend in Kronstadt und Recherchen für einige historische Ergänzungen (Rumänien und die Siebenbürger Sachsen vor, während und nach dem Krieg) schließt sich bei mir manche Wissenslücke. Und – quasi »nebenher« – erscheint mir der Lebensabschnitt meines (früh verstorbenen) Vaters und der gemeinsame meiner Eltern in fernen, vergangenen Zeiten ein Stück vertrauter. Dafür bin ich sehr dankbar.

Im April 2019 wird Herr T. stolze 90 Jahre alt. Zu diesem wahrlich besonderen Anlass wird er sein »Erinnerungsalbum« über sein zweigeteiltes Leben in Siebenbürgen und Deutschland an seine Nachkommen weitergeben.