Dies wird ein ganz persönlicher Blogbeitrag. Gleichzeitig ein schmerzlicher. So persönlich und schmerzlich, wie das Leben sein kann.

Meine Mutter ist vor fünf Monaten gestorben und es tut noch mächtig weh. Wir standen uns sehr nah. Ganz wird dieser Schmerz nicht weichen – ich weiß. Er wird sich verändern, so versichern viele Vertraute, die selbst mit Verlusten fertig werden mussten. Geduld ist gefragt, die Trauer muss durchlebt werden. Ich durchlebe momentan. Mal sehr heftig, mal erträglich.

Sie war 84, wir durften sie schließlich zuhause bis zum letzten Atemzug begleiten. Nach ganz schwierigen (Corona-)Krankenhauswochen, die alleine schon berichtenswert wären. Aber das ist ein anderes Thema.

Es gibt etwas, für das ich jetzt schon unglaublich dankbar bin. Die erste Biografie, die ich verfassen durfte, war jene meiner Eltern. Ein seiten- und fotostarkes Buch ist 2013 entstanden – die erste Hälfte des Buches widme ich dem Leben meines Vaters, die zweite meiner Mutter. Viele intensive Stunden des Interviews verbrachte ich für diesen Zweck abwechselnd mit beiden über ein halbes Jahr im heimischen Wohnzimmer oder auf der Terrasse des Reihenhauses, in dem ich zusammen mit meinen beiden Geschwistern aufgewachsen bin. So nah war ich meinen Eltern selten zuvor.

Dass sie meinen Vater anfangs ziemlich arrogant gefunden hätte – die beiden lernten sich in der Ausbildung in einem Atelier kennen, wurden beide Textil-Designer – erzählte mir Mama zum Beispiel damals. Bei einem Betriebsfest verliebte sie sich dann, mein Vater spielte Akkordeon, „da fiel ihm so eine vorwitzige Locke immer ins Gesicht“, schilderte sie. Auf eine Art, dass ich die Szene im Kopf hatte. Eine von vielen Szenen. Vieles verstand ich später besser. Ihre Ängstlichkeit um uns Kinder zum Beispiel. 1943 in einem Gewölbekeller zu sitzen und das Haus über sich bombardiert zusammenbrechen hören – wer kann solche Kindheitserlebnisse ohne seelische Narben bewältigen?

Immer wieder las sie in den Folgejahren die Doppelbiografie, „neee Kind, das haste wirklich wunderbar geschrieben“ – ich weiß nicht, wie oft ich dieses Lob in niederrheinischer Sing-Sang-Modulation bekam (das „wun..“ in hoher Stimmlage, das „..der…“ fällt drastisch ab, das „…baaaar“ wird in mittlerer Höhe langgezogen intoniert). Selbst auf dem Sterbebett, eine Woche vor ihrem Tod, zeigte sie einer Pflegerin noch einige Fotos aus dem Buch. Der Stolz auf ihre Familie war ihr dabei ins Gesicht geschrieben, bevor sie dann nicht mehr sprechen konnte.

Was bleibt sind Schmerz – aber auch Dankbarkeit und Hoffnung. Dankbarkeit für das mir geschenkte und miteinander geteilte Leben. Hoffnung auf ein Wiedersehen in einer Welt ohne Trauer.