Ich bin im Begriff, eine Freundin an den Krebs zu verlieren. Es bleibt nicht viel Zeit – für sie, für uns. Ich frage mich: Kann ich im Schreiben etwas festhalten für die Zeit „danach“ und hilft es mir aus meiner Sprachlosigkeit, angesichts ihres baldigen Todes? Und später dann, wenn die Freundin allein in meinen Erinnerungen lebendig sein wird und ich in meinen Aufzeichnungen von heute blättere – werde ich Trost in allem Schmerz finden, der in meinem Schreiben heute seinen Ausdruck sucht?

Ich glaube, ja.

Dieser nahende Verlust meiner Freundin wird zum Bestandteil meiner Biografie mit ihren Brüchen, Wendepunkten und Schicksalsschlägen. Je mehr davon ich zeitnah verschriftlicht haben werde, umso dichter die Gefühle, die ich beim Lesen dessen abrufen kann, was mir in der jeweiligen Situation durch den Kopf ging, mein Herz berührte oder meine Seele verstörte.

In der Trauer um meine Freundin bin ich auf die Suche gegangen und einem besonderen Buch begegnet. Sein Titel: „Es wächst ein Licht in Deinem Fehlen“. Die Autorin Giannina Wedde hat ihren Trauerausruck in der Lyrik gefunden. Entstanden ist ein Büchlein mit Gedichten und nachdenklichen Texten, die – zart und dicht zugleich – alle Facetten ihrer persönlichen Trauer beschreiben und das Innerste des Lesers berühren. Im letzten Drittel beginnt sich die Farbe ihrer Worte aufzuhellen. Es erscheint ein Lichtstrahl am Horizont. Schwarz wird zu grau, Konturen werden sichtbar, etwas Neues steigt auf, mit dem sich die Trauernde ganz behutsam befasst und sachte anfreundet. So wird aus dem Trauerbuch langsam und leise ein Trostbuch.

Schreiben kann in existentiellen Lebenslagen heilsam wirken. Es ist ein geduldiger Begleiter in der Transformation und hält fest, was im Begriff ist sich aufzulösen. Die hierbei entstehenden autobiografischen Texte sind in der Rückschau die einzigen authentischen Erinnerungsstücke an bestimmte Ereignisse, weil unverfälscht von dem Wissen, was folgt. Sie legen Zeugnis von der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ab, weil Krisenzeit immer auch Zeit des Wachsens ist. Solche Texte mögen lange ungelesen in der Schatulle liegen. Eines Tages wiederentdeckt, sind sie die konservierte Essenz für das eigene „Lebensbuch“, die Autobiografie.