Umgang mit Tod und Trauer – und Trost. Drei Ausstellungen.

Der Tod gehört zum Leben – und doch ist er unfassbar, unbegreiflich. Wie nähert man sich dem Thema? Was bedeutet es für uns, wenn wir uns mit dem Tod beschäftigen?

Drei Ausstellungen habe ich in diesem Jahr besucht, jede mit einem anderen Schwerpunkt – einmal ist es der Tod an sich, einmal die Trauer, einmal der Trost. Zwei Ausstellungen laufen noch: „un_endlich – Leben mit dem Tod“ ist noch bis zum 26. November im Berliner Humboldt-Forum, „Trost – auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses“ noch bis zum 29. Oktober im Museum für Sepulkralkultur in Kassel zu sehen. Die dritte Ausstellung, „In Watte und Nadeln – Konturen von Trauer“ in der Galerie im Körnerpark in Berlin, sie war eher klein und ist leider bereits vorbei, erwähne ich trotzdem, weil sie sehr beeindruckend war und es auch eine kleine „Rückschau“ auf sie gibt, zu der ich den Link an das Ende meiner Besprechung stellen werde.

Die Besprechung ist in zwei Teile unterteilt. Im heutigen ersten Teil beschreibe ich die Ausstellung „un_endlich – Leben mit dem Tod“; im nächsten Teil, der innerhalb der kommenden Woche folgt, werde ich meine Eindrücke von den Ausstellungen zu Trauer und zum Trost zusammenfassen.

un_endlich – Leben mit dem Tod“ setzt sich mit einer radikalen Offenheit mit der Thematik des Sterbens, des Todes und des Umgangs damit auseinander. „Ein Drama in fünf Akten“ wird es bezeichnenderweise in der Begleitbroschüre untertitelt. Man kann mehrere Stunden dort verbringen, je nachdem, wie intensiv man sich auf die Thematik einlässt. In sehr unterschiedlich gestalteten Räumen werden die Besucher:innen teils bedrückend nah, bis hin zur körperlichen Konfrontation an die Thematik herangeführt. Entlang großer Menschheits-Fragen wie „Woher kommen wir?“, „Gibt es ein Jenseits?“ oder „Was bedeutet Menschenwürde über den Tod hinaus?“ hören wir im „1. Akt“ des Dramas unterschiedliche – kulturell und religiös als auch naturwissenschaftlich begründete – Vorstellungen von dem, was nach unserem Tod möglicherweise geschieht.

In einem anderen Raum können wir uns auf „Sterbebetten“ – weiße, gewölbte Liegen – legen und uns über ein Headset Fragen zu unserem Verhältnis zum Sterben und zum Tod anhören. Wir werden gebeten zu antworten; die Antworten sollen, so sagte der Projektleiter David Blankenstein zu Beginn der Ausstellung im April, zu einem späteren Zeitpunkt an die Besucher:innen „zurückgespielt“ werden (möglicherweise also bereits jetzt).

Wieder in einem anderen Raum wird eine zoom-Konferenz präsentiert, in der sich Sterbebegleiter:innen aus der ganzen Welt miteinander über ihre Erfahrungen austauschen.

Besonders nahe kann einem der Besuch in der kleinen Kabine gehen, in der man alleine sitzt und einer Stimme lauscht, die, untermalt mit Licht und Ton, erzählt, was sich in den letzten Augenblicken des Lebens im Gehirn abspielt. Es wird extra darauf hingewiesen, dass man diese Kabine auslassen bzw. natürlich jederzeit verlassen kann.

Wie sich der Weg eines Leichnams von der Feststellung des Todes bis zur Bestattung gestaltet, erfährt man in einem weiteren Raum, differenziert nach den unterschiedlichen kulturellen Kontexten der Berliner Stadtgesellschaft. In einer Videoprojektion werden zwei Formen der Leichenwaschung pantomimisch dokumentiert; eine im Rahmen der so genannten „hygienischen Verstorbenenversorgung“ sowie eine rituelle islamische Totenwaschung.

Der nächste Raum ist im Vergleich relativ sachlich, mit vielen Infografiken zu globalen Sterbeverhältnissen (etwa zum Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung, zu Mütter- und Kindersterblichkeit, zum Tod durch bewaffnete Konflikte, durch Flucht, durch Klimawandel), Statistiken, Zahlen. Es ist wie die Möglichkeit zum Durchatmen, bevor man im folgenden Raum erneut radikal mit der Dramatik des Sterbens konfrontiert wird – des Sterbens von Menschen auf ihrer Flucht über das Mittelmeer. Konkret geht es hier um das Unglück vor Lampedusa im Jahr 2015. Eine Forensikerin und ihr Team erläutern, wie sie versuchen, die geborgenen persönlichen Dinge der Ertrunkenen den Menschen zuzuordnen, ihren Namen und ihre Identität herauszufinden und ihnen damit ein Stück Menschenwürde zurückzugeben.

Am Ende der Ausstellung geht es um Trauer und Trost; so werden ausgewählte Trauergesänge verschiedener Glaubensrichtungen gespielt, man kann sich so lange wie man will hinsetzen und ihnen zuhören. Am Ausgang findet sich eine beeindruckende Zusammenstellung vieler Bücher zum Thema Tod.

Als ich nach der Ausstellung zurück in das sonnige, sommerliche Berlin hineintrat, brauchte ich eine Weile, um mich wieder an das Hier und Jetzt zu gewöhnen, und ich war dankbar für mein Leben.

Ausstellung un_endlich – Leben mit dem Tod: noch bis 26. November 2023, Humboldt-Forum, Schlossplatz, 10178 Berlin

https://www.humboldtforum.org/de/programm/laufzeitangebot/ausstellung/un_endlich-leben-mit-dem-tod-70155/